Egal wo oder in welchem Zusammenhang ich unterwegs bin, gibt es ein und dieselbe Frage, die mir immer wieder gestellt wird: Wie gewinne ich Menschen für mein Vorhaben?
Insbesondere in der Vereinswelt lautet die Frage: Wie gewinne ich Menschen, die sich für unseren Verein engagieren.
Meine Antwort ist immer gleich: Gestalte die Zusammenarbeit so genial, dass ein tiefes Gefühl der Verbundenheit entsteht.
Verbundenheit
Was ist denn überhaupt Verbundenheit?
Wikipedia sagt: „Als Verbundenheit wird in der Psychologie der Kommunikation das Gefühl bezeichnet, einer anderen Person oder einer Personengruppe zugehörig zu sein und in einer gegenseitig vertrauensvollen Beziehung zu stehen.
Nach Friedemann Schulz von Thun ist die Verbundenheit eines der vier seelischen Grundbedürfnisse – neben dem Empfinden von Eigenwert, einem ausreichenden Grad an Freiheit und dem Bedürfnis, geliebt zu sein.“
Verbundenheit hat also tatsächlich etwas mit Verbindungen zwischen uns Menschen zu tun. Wir können emotional mit anderen Menschen verbunden sein oder es besteht eine Verbindung, weil wir eine gemeinsame Leidenschaft teilen. Das zeichnet einen Verein ganz klar aus.
Es finden sich Menschen zusammen, weil sie zum Beispiel Musik, Kunst, Kultur oder den Sport lieben. Es finden sich Menschen zusammen, um anderen Menschen das Leben zu retten. Es finden sich Menschen zusammen, um Tiere und die Natur zu schützen. Es gibt viele Gründe, wozu sich Menschen in einem Verein zusammenfinden und miteinander verbunden sind.
Verein heißt, sich gemeinsam einem Thema zu widmen und zu unterstützen. Das klingt einfach, ist im täglichen Vereinsleben jedoch immer wieder eine Herausforderung.
Engagement
Wenn sich Menschen einem Thema widmen, entstehen Aufgaben. In einem Verein sind es viele Aufgaben. Diese unterscheiden sich kaum von denen in Unternehmen. Doch ein ganz wesentlicher Unterschied ist der Einsatz von Zeit und Ressourcen.
In vielen Vereinen engagieren sich Menschen ehrenamtlich. Sie investieren ihre persönliche Zeit und bringen oft auch Ressourcen wie Material oder Geld mit ein.
Doch insbesondere die zeitlichen Kapazitäten sind bei uns allen begrenzt. Je aktiver oder größer ein Verein wird, desto mehr Zeit nehmen die Aufgaben in Anspruch. Und genau hier nimmt bei vielen Vereinen der Zeit und Kräfte fressende Kreislauf seinen Lauf.
Es sind oft immer dieselben Menschen, die sich engagieren. Es sind immer dieselben Gesichter, die sich für den Verein stark machen. Es sind aber auch diejenigen, die nach weiteren Menschen suchen, um die wertvolle Arbeit auf breiteren Schultern zu verteilen.
Es gibt zwei Phänomene:
Phänomen Nummer 1
In dem Moment, in dem eine Person in ein Präsidium oder Vorstand gewählt wird, ist es deren Job, sich um die Vereinsaufgaben zu kümmern. Viele Mitglieder sehen das so. Dabei ist und bleibt eine Person mit Vorstandsaufgaben weiterhin ein ganz normales Mitglied. Nicht mehr und nicht weniger.
Es ist nicht deren Job. Sie haben eine Rolle übernommen und tragen Verantwortung für einige Aufgaben. Nicht für alle. Der Unterschied zu einem echten Job ist sehr deutlich, weil es keine vertraglichen Regelungen gibt.
Stell dir vor, du würdest eine Person einstellen, die die Geschäftsleitung für deinen Verein hauptamtlich übernimmt. Dann würdest du viele Details regeln und die Finanzen zur Verfügung stellen müssen. All das ist bei einem Ehrenamt nicht gegeben.
Phänomen Nummer 2
Im Vorstand werden viele Dinge diskutiert und sich Gedanken über die Weiterentwicklung des Vereins gemacht. Jedoch wird bei den ganzen Diskussionen oft vergessen, die Mitglieder einzubinden.
Die regelmäßigen Mitgliederversammlungen reichen nicht aus, um eine emotionale Verbundenheit herzustellen. Oft sind die Mitgliederversammlungen sehr schlecht besucht. Warum ist das so? Stellt euch die Frage doch einmal selbst?
Wie ist das für dich, wenn die Mitgliederversammlung langatmig und trocken ist? Dann macht es überhaupt keinen Spaß, daran teilzunehmen.
Wie wäre es, wenn die Mitgliederversammlung wie ein großes Familientreffen wäre? Die Menschen freuen sich auf das Wiedersehen. Tauschen sich aus und diskutieren miteinander. Sie erleben eine wertvolle gemeinsame Zeit. Sie sind mit einander verbunden.
Diese zwei Phänomene zeigen, dass die Verbundenheit verloren geht, wenn aus einem Netzwerk eine Hierarchie entsteht. Das ist leider auch außerhalb von Vereinen anzutreffen. Nur weil bestimmte Rollen eine gewisse Verantwortung mit sich bringen, heißt das nicht, dass sich die Menschen von einander distanzieren müssen. Verein ist nicht Vorstand und Mitglieder, sondern ein Netzwerk von Menschen.
Das lebendige Netzwerk Verein
Ein gut funktionierendes Netzwerk pulsiert. Informationen und Idee gehen in viele Richtungen. Stell dir einfach ein Spinnennetz in der Sonne vor. Vielleicht sind noch ein paar Tropfen vom morgendlichen Tau zu sehen und spiegeln das Licht.
Was passiert, wenn du an einer Stelle ganz leicht zupfst? Genau: Alles beginnt zu schwingen. An einer Stelle stärker, an einer anderen Stelle schwächer.
So ist es auch in einem Netzwerk. Alles und alle sind miteinander verbunden. Dein Verein ist ein Netzwerk mit vielen Menschen. In der Praxis ist es oft so, dass einige Verbindungen beschädigt oder verloren gegangen sind. Dadurch ist die Verbundenheit stark geschwächt. Teilweise werden parallele Verbindungen geschaffen, die mit dem ursprünglichen Netzwerk nur noch sehr schwach verbunden sind.
Wenn das nun im Verein so ist, dann ist es kein Wunder, dass die Informationen nicht ankommen. Dazu gehört auch, die Suche nach weiteren engagierten Menschen. Woher soll ich wissen, dass ich helfen kann, wenn mich diese Information nicht erreicht? Wie kann ich mich melden, wenn ich nicht weiß wo?
In einem lebendigen Netzwerk mit intakten Beziehungen laufen die Informationen und die Kommunikation immer in beide Richtungen. Es ist niemals eine Einbahnstraße.
Jetzt frage ich mich: Ist es wirklich so, dass sich niemand findet, um den Verein mitzugestalten? Ich erwarte nicht, dass es gleich Hunderte sind. Wenn es zwei, drei oder zehn zusätzliche Menschen sind, dann ist das bereits ein Erfolg. Ich muss doch nur ehrlich, wertschätzend und respektvoll die Verbindungen aktivieren.
Was wäre, wenn diese zwei, drei oder zehn Menschen eine neue Sogwirkung erzeugen und weitere Menschen anziehen? Was wäre dann?
Mein Appell
Mein Appell an die Menschen in den Vorständen: Vergesst nicht eure Mitglieder einzubeziehen. Fragt nach deren Meinung. Tut das aber bitte nur, wenn ihr es auch ehrlich meint. Nach einer Meinung zu fragen und diese am Ende komplett zu ignorieren wird genau das Gegenteil erzeugen. Die Verbundenheit ist dahin und somit auch potenzielle Unterstützer für den Verein.
Oft haben die Menschen in den Vereinsgruppen, die besten Ideen. Warum? Weil sie merken und spüren, dass ein Bedarf für Veränderungen vorhanden ist. So haben sie in dem meisten Fällen auch gleich ein paar Ideen entwickelt, wie es besser sein kann.
Wer nicht fragt, der nicht gewinnt. Erst recht keine Verbundenheit.
Mein Appell an die Mitglieder: Ein Verein funktioniert nur, wenn sich möglichst viele Menschen engagieren. Je mehr es sind, desto weniger Zeit binden die Vereinsaufgaben. Bringe dich ein. Gestalte deinen Verein. Nutze die Möglichkeit herauszufinden, welche Talente in dir schlummern.
Sehe den Vorstand als einen Knotenpunkt im Vereinsnetzwerk. In diesem Knotenpunkt laufen viele Dingen zusammen. Suche nach einem thematischen Ankerpunkt, mit dem du dich in dieses pulsierende Netzwerk einklinken kannst.
Mein Appell an euch alle:
Werdet Teil eines Netzwerks. Werdet Teil einer Familie.
Sehr guter Beitrag – schöner Denkanstoß – Danke !
Vielen lieben Dank Veronika. 🙂
Sehr gut beschrieben und trifft den „ Nagel auf den Kopf „. . Die Umsetzung der Vorhaben und Verteilung der Verantwortung auf mehrere Schultern ist sehr schwierig geworden.
Vielen Dank Günter
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